Der Orden der Augustiner-Chorherren

Leben nach den Regeln des heiligen Augustinus

Die Augustiner-Chorherren

Der Orden der Augustiner-Chorherren ist Teil der vielfältigen Ordenslandschaft der katholischen Kirche. Im Unterschied zum Mönchtum hat die Ordensgemeinschaft ihren Ursprung im Klerus. Die Chorherren – auch Stiftsherren genannt – leben als Priester in einer monastisch geprägten Gemeinschaft zusammen. Der Grundgedanke dabei ist die fruchtbare Verbindung des priesterlichen Amtes mit der spirituellen Entfaltung des klösterlichen Lebens. Die Seelsorge am Menschen soll so auf einer geistigen und ökonomischen Basis gesichert werden. Denn anders als Mönche, die sich meist bewusst aus der Welt zurückziehen und in in sich geschlossenen Gemeinschaften leben, sehen die Augustiner-Chorherren ihre wichtigste Aufgabe im seelsorglichen Dienst am Volk Gottes außerhalb der Klöster.

Der heilige Augustinus

Impulsgeber für diese Lebensform war der heilige Augustinus (354 – 430), der auch als Ordensvater, nicht aber als Ordensgründer, und einer der vier lateinischen Kirchenlehrer der Spätantike gilt. Augustinus bekehrte sich durch die Predigten des hl. Kirchenvaters Ambrosius zum Christentum. Von 395 bis zu seinem Tod war er Bischof von Hippo Regius (heute: Annaba, Algerien). Das von ihm in Hippo gegründete Kloster fiel nach seinem Tod den Vandalenstürmen zum Opfer. Als Gottesgelehrter und Seelsorgerbischof sah Augustinus das gemeinschaftliche Leben im Geiste des Evangeliums als wichtige Voraussetzung für den priesterlichen und seelsorglichen Dienst. Die christliche Urgemeinde in Jerusalem war für ihn das Urbild des Klosters und das Ideal einer jeden Klostergemeinschaft. Er selbst lebte in dem von ihm begründeten Kloster in Hippo, hatte der Überlieferung nach aber nie die Absicht einen Orden zu gründen, wie es später etwa der heilige Benedikt tat. Während seiner Zeit im Kloster, um das Jahr 395/396, verfasste Augustinus die sogenannte Augustinusregel, eine Klosterregel, mit der er den Mitgliedern von Ordensgemeinschaften die Prinzipien eines religiösen Lebens in Gemeinschaft vermitteln wollte. Die Augustinusregel war auch den Gründungsvätern anderer Orden, allen voran dem heiligen Benedikt, wohl bekannt, und gilt heute als zeitlose Grundlage vieler Ordensregeln in der katholischen Kirche.

Gemeinsames Leben und Wirken, geleitet durch das Wort Gottes

Im Zentrum des Zusammenlebens, Betens und Arbeitens in der Chorherrengemeinschaft stehen die gemeinsame Gottsuche und das gemeinsame Gotteslob. Im spirituellen klösterlichen Zusammenleben, im gemeinsamen Gebet und im gemeinsamen Tisch schöpfen die Mitglieder Kraft für ihre seelsorglichen, kulturellen und sozialen Aufgaben. In ihrem Ordensgelübde verpflichten sich die Augustiner-Chorherren der Gott geweihten Ehelosigkeit, dem Gehorsam und dem Verzicht auf persönliches Eigentum.

Die Entwicklung des Ordens

Der Orden der Augustiner-Chorherren entwickelte sich über Jahrhunderte hinweg. Die sogenannten Stiftsherren oder Kanoniker (Kleriker aller Weihestufen und Angehörige eines Dom- oder Stiftskapitels) lebten zunächst nach unterschiedlichen, lokal ausgeprägten Regeln und waren zu keinem Orden zusammengeschlossen. Immer wieder jedoch versuchten Bischöfe, ihren Klerus zu einem ehelosen und besitzlosen gemeinschaftlichen Leben anzuhalten, um sich so ganz dem priesterlichen und seelsorglichen Dienst widmen zu können. Erst die große Klerusreform des 11. und 12. Jahrhunderts, in der man versuchte, die Disziplin und die Bildung der Geistlichen zu heben und großen Wert auf die Besitzlosigkeit und das gemeinsame Leben der Priester legte, brachte die Wende, und der Orden der Augustiner-Chorherren konstituierte sich so wie wir ihn heute kennen. Durch die Reform bestehender Gemeinschaften und Neugründungen von Klöstern breitete sich der Orden in den folgenden Jahrzehnten über ganz Europa aus und erlebte seine erste Blütezeit. Ein weiteres Hoch erlebte der Orden im 14. Jahrhundert mit der „Devotio moderna“, einer religiösen Erneuerungsbewegung, die ein für Laien offenes Weltchristentum der tätigen und helfenden Liebe (wie z. B. Krankenpflege oder Armenfürsorge) propagierte. Der persönliche Weg zu Gott sollte durch inniges Gebet und Meditation gefunden werden. Im Zuge der Reformation im 16. Jahrhundert, den Klosteraufhebungen durch Kaiser Joseph II. im 18. Jahrhundert und der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts gingen schließlich die meisten Augustiner-Chorherrenstifte zugrunde. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Wirkungsbereich der Stifte sehr eingeschränkt. Einige wurden zum Teil stark zerstört, andere wurden aufgehoben. In Österreich-Ungarn verblieben sechs Chorherrenstifte, die sich alle im letzten Jahrhundert zu bedeutenden kulturellen und spirituellen Zentren entwickelt haben.

Mitten in der Welt tätig

Neben den unterschiedlichsten Aufgaben in den jeweiligen Klöstern ist die Pfarrseelsorge auch heute noch eine der Hauptaufgaben der Augustiner-Chorherren. Nichtpriesterliche Mitbrüder, sogenannte Chorfratres, können ihren Dienst unterstützen. In ihrem kulturellen Wirken nehmen die Augustiner-Chorherren auf verschiedenste Weisen geschichtlich gewachsene Verantwortung war. 

Struktur des Ordens der Augustiner-Chorherren heute

Der Orden der Augustiner-Chorherren ist föderalistisch geprägt. D. h. es gibt keinen zentralen Überbau, der von oben herab Entscheidungen treffen kann. Die einzelnen Chorherrenstifte sind jeweils selbstständig organisiert. Im Professversprechen verbinden sich die Chorherren jeweils einem Kloster. An der Spitze des Klosters steht ein von den Mitbrüdern des Hauses gewählter Propst. Als sein Stellvertreter wird ein Stiftsdechant ebenfalls von den Mitbrüdern gewählt. Die Vollversammlung der Mitbrüder muss in alle grundlegenden Entscheidungen eingebunden werden. Die sechs Augustiner-Chorherrenstifte auf damaligem österreich-ungarischem Boden, die Reformation, Säkularisation und Josephinismus überdauerten, gründeten 1907 die „Kongregation der österreichischen Augustiner-Chorherren“. Diesem föderalen Zusammenschluss gehören neben dem Stift Reichersberg noch heute folgende fünf Klöster an:

Die Pröpste der sechs Klöster der österreichischen Augustiner-Chorherren-Kongregation wählen aus ihrer Reihe einen Generalabt, der die Interessen der Kongregation und des Ordens nach außen hin vertritt. Zudem sind sämtliche Chorherrengemeinschaften seit 1959 in einer weltweiten Konföderation zusammengefasst – feierlich besiegelt durch das Apostolische Schreiben „Caritas Unitas“. Den Vorsitz der Konföderation der Augustiner-Chorherren hat einer der Generaläbte der Kongregationen, ein jeweils für sechs Jahre gewählter Abtprimas. Seine Aufgabe ist es, die Kontakte innerhalb des Ordens zu fördern und nach außen hin – insbesondere auch in Rom – als Repräsentant zu wirken. Neben den Augustiner-Chorherren gibt es seit der Gründung des Ordens im 11. Jahrhundert auch einen weiblichen Zweig des Ordens: die Augustiner-Chorfrauen. Früher waren die Chorfrauenklöster meist einem Chorherrenstift angeschlossen. Heute agieren sie als autonome Gemeinschaften und widmen sich in ihrem Apostolat insbesondere der Jugenderziehung. Viele sind Träger angesehener Schulen.